Besiege den Winterblues: Umgang mit der saisonal-affektiven Störung

Im Laufe des Jahres ändert sich das Tageslicht, und je nachdem, wo du lebst, kann Regen oder gar Schnee drohen. Aber selbst in Regionen mit mildem Klima können Menschen von einer Winterdepression befallen werden, die durch den Mangel an Sonnenlicht entsteht. Dieses Phänomen wird als saisonal-affektive Störung (Seasonal Affective Disorder, SAD) oder saisonale Depression bezeichnet. Im Volksmund ist auch der Ausdruck „Winterdepression“ verbreitet. Wie du wahrscheinlich schon bemerkt hast, wirkt es sich auf die Gewohnheiten und das Wohlbefinden aus, wenn die Tage kürzer werden.

Und nein, du hast nicht einfach schlechte Laune, und du wirst auch nicht verrückt. Im Gegenteil: Es gibt einen guten Grund, sich niedergeschlagen zu fühlen, wenn die Sonne weniger scheint als sonst. Hier erfährst du mehr über die Ursachen der saisonal-affektiven Störung und erhältst zehn Tipps für den Umgang mit den häufigsten Symptomen.

Was ist eine saisonal-affektive Störung?

Die saisonal-affektive Störung ist ein biochemisches Ungleichgewicht im Gehirn. Dieses wird durch die Abnahme der Tageslichtstunden und der Sonneneinstrahlung ausgelöst, die für den Körper das Signal für die Produktion von Chemikalien und Hormonen für Wachsein oder Schläfrigkeit sind.

Schätzungsweise sind 10-20 % der Menschen weltweit von der saisonal-affektiven Störung betroffen. Menschen, die weit vom Äquator entfernt leben, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, und bei Frauen tritt SAD viermal so häufig auf wie bei Männern. Im Allgemeinen nimmt die Anfälligkeit mit zunehmendem Alter ab, wobei Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren am meisten gefährdet ist.

Eine Reihe von Symptomen und Verhaltensweisen deuten auf eine saisonal-affektive Störung hin, darunter:

  • Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Entscheidungen zu treffen
  • Verlust des Interesses an Aktivitäten oder Freizeitveranstaltungen
  • Schlafprobleme, darunter sowohl Verschlafen als auch Schwierigkeiten, erholsamen Schlaf zu bekommen
  • Übermäßiges Essen und Heißhunger auf einfache Kohlenhydrate
  • Veränderungen des Gewichts
  • Antriebslosigkeit
  • Unruhe oder nervöse Angewohnheiten

Diese Symptome werden mit der saisonal-affektiven Störung in Verbindung gebracht, können aber auch Anzeichen für eine andere Erkrankung als eine Winterdepression sein. Wenn du eines dieser Symptome über längere Zeit beobachtest, solltest du deinen Arzt konsultieren.

Die Wissenschaft hinter der saisonal-affektiven Störung

Was genau steckt hinter der saisonal-affektiven Störung? Es handelt sich um eine Störung, die durch Schwankungen des sogenannten zirkadianen Rhythmus, also der inneren Uhr („Biorhythmus“), verursacht wird. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, umso größer, je weiter der Wohnort vom Äquator entfernt ist: Je kürzer der Tag, desto stärker der Effekt.

Normalerweise empfängt die Netzhaut bei Sonneneinstrahlung spezielle Signale, die die Ausschüttung des Neurotransmitters Serotonin auslösen. Eine Verringerung des Einfalls von Sonnenlicht führt auch zu einem Rückgang dieses auf natürliche Weise im Gehirn gebildeten Stoffs. Saisonale Schwankungen bei der Regulierung des Serotoninspiegels im Gehirn treten auch bei SAD auf. Die meisten Menschen haben schon einmal von den stimmungsaufhellenden Eigenschaften von Serotonin gehört. Es trägt jedoch auch zur Gesunderhaltung des Körpers bei – von den Knochen bis zum Darm.

Zu wenig Tageslicht kann auch zu einer Überproduktion von Melatonin führen, dem Hormon, das für den Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich ist. Mit besonders wenig natürlichem Licht auskommen müssen z. B. die Einwohner von Juneau, der Hauptstadt Alaskas, wo die Sonne zur Wintersonnenwende nur für 6 Stunden und 22 Minuten aufgeht. Anderswo sind die Bedingungen sogar noch ungünstiger. Das norwegische Rjukan liegt jedes Jahr sechs Monate lang im Schatten.

Der Umgang mit der saisonal-affektiven Störung

Die saisonal-affektive Störung ist nicht neu. Sie wurde erstmals 1980 von dem Wissenschaftler Norman E. Rosenthal am US-amerikanischen National Institute of Mental Health beschrieben. Im Laufe der Zeit wurden anhand von Studien wirksame Möglichkeiten zum Umgang mit SAD gefunden.

Wenn du SAD-Symptome an dir beobachtest, kannst du die folgenden Tipps ausprobieren: Auch wenn die kürzeren Tage bislang keinen Einfluss auf dich haben, kannst du von unseren Empfehlungen für eine ganzheitliche Lebensweise profitieren.

Hole professionellen Rat ein

Eine Reihe der Symptome von SAD sind die gleichen wie bei einer Depression. Wenn du glaubst, dass du an einer Depression leidest, solltest du einen Arzt aufsuchen. Auch bei leichteren Symptomen kann es sinnvoll sein, medizinischen Rat einzuholen. Bevor du deine Lebensweise änderst, solltest du in jedem Fall einen Experten konsultieren.

Ernähre dich gesund

Der Verzehr einer breiten Vielfalt vollwertiger Lebensmittel ist von zentraler Bedeutung für eine gute Gesundheit. Bestimmte Nährstoffe wie Vitamin D unterstützen den Körper bei der normalen Mineralisierung der Knochen, die durch eine geringere Sonneneinstrahlung möglicherweise beeinträchtigt ist. Magnesium und Coenzym Q10 werden vom Körper zur Energieerzeugung in den Zellen verwendet, und Vitamin B spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung eines gesunden Stoffwechsels. Diese nützlichen Nährstoffe sind in den folgenden Lebensmitteln enthalten:

  • Vitamin D: fetter Fisch, Käse, Eigelb, Pilze und Lebensmittel mit zugesetztem Vitamin D
  • Magnesium: grünes Blattgemüse, Avocados, Bananen, Himbeeren, Nüsse und Samen
  • Vitamin B: Vollkornprodukte, rotes Fleisch, Geflügel, Fisch, Bohnen, Linsen, Nüsse und Samen

Ein Hauptindikator für eine saisonal-affektive Störung ist das Verlangen nach einfachen Kohlenhydraten, die z. B. in Limonade, gebackenen Leckereien und Frühstücksflocken enthalten sind. Diese Lebensmittel sättigen jedoch kaum und verursachen oft noch mehr Heißhunger. Greife stattdessen zu gesunden Fetten, ballaststoffreichem Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und mageren Proteinen. Sie machen satt und enthalten oft wertvolle Nährstoffe wie die oben genannten.

Sorge für guten Schlaf

Es gibt viele Gründe, warum eine gute Nachtruhe wichtig ist. Die Einhaltung guter Schlafgewohnheiten ist eine Menge Arbeit, doch die physiologischen Vorteile von erholsamem Schlaf sind die Mühe wert. Erstens: Halte einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus ein. Gehe möglichst jeden Abend zur gleichen Zeit ins Bett und stelle den Wecker jeden Morgen für die gleiche Zeit, sieben Tage die Woche. An den Wochenenden darf also nicht geschummelt werden. Bedenke, dass es bis zu vier Tage dauern kann, um sich von jeder Stunde Schlafmangel zu erholen, die sich angesammelt hat. Wenn du immer zur gleichen Zeit aufwachst, kann sich dein Körper darauf einstellen, und am Abend wirst du dich ganz von allein müde fühlen.

Zweitens: Vermeide eine Stunde vor dem Schlafengehen munter machende Aktivitäten und verzichte abends auf anregende Substanzen wie Kaffee. Auch Cocktails sind tabu. Alkohol kann beim Einschlafen helfen, stört jedoch die REM-Schlafphasen. Finde eine bildschirmfreie, beruhigende Aktivität, die für dich geeignet ist. Versuche es z. B. mit Meditation, schreibe Tagebuch, höre Musik oder einen Podcast, lies ein Buch oder koche eine Kanne koffeinfreien Tee.

Besiege den Winterblues

Je kürzer die Tage werden, desto mehr solltest darauf achten, dich draußen aufzuhalten, solange es noch hell ist. Richte eine Erinnerung ein. Andernfalls kann es sein, dass die Sonne bereits untergegangen ist, wenn du daran denkst, nach draußen zu gehen. Mache in der Mittagspause einen zügigen Spaziergang, jogge oder telefoniere vor dem Haus. Ganz egal, was du tust, Hauptsache, du verbringst etwas Zeit im Freien. Auch an den schneereichsten Tagen gibt es immer einen Grund, sich nach draußen zu wagen.

Es kann schwierig sein, Zeit zu finden, um an die frische Luft zu gehen. Aber dank der zusätzlichen Energie, die der Körper durch guten Schlaf und eine gesunde Ernährung erhält, wird er für diese Aufgabe gerüstet sein.

Treibe Sport

Für viele Menschen ist es ganz normal, in der warmen Jahreszeit draußen aktiv zu sein. Je dunkler die Tage werden, desto schwieriger wird es, sich die Zeit dafür zu nehmen. Sobald du merkst, dass du weniger an die frische Luft gehst, weil die Tage immer kürzer werden, empfiehlt es sich, dies auszugleichen, indem du an mehreren Tagen pro Woche trainierst. Ausreichend Bewegung ist eine der besten Methoden, mit der saisonal-affektiven Störung umzugehen. Regelmäßige Workouts haben viele physiologische Vorteile und sind somit ein guter Grund, nicht schwach zu werden, wenn die Couch nach einem ruft. Außerdem ist Sport zumeist eine gesellige Aktivität, was ebenfalls einer SAD entgegenwirkt, wie weiter unten näher beleuchtet wird.

Du musst nicht ins Fitnessstudio fahren, um zu spüren, wie gut es tun kann, hin und wieder ordentlich zu schwitzen. Wenn es draußen schon wieder stockdunkel ist und du das Haus nicht verlassen willst, gibt es viele Workouts, die du zuhause absolvieren kannst.

Bringe Licht ins Dunkel

Wenn wie in Rjukan Sonnenschein rar ist, dann sind andere Lichtquellen gefragt. Es gibt verschiedene Lichttherapie-Geräte, darunter Nachttischlampen, Lichttherapiebrillen und sogar Lichtsaunen. Studien zeigen, dass helles Licht gleich morgens nach dem Aufwachen besser ist als Lichttherapie später am Tag. Das hilft zwar nicht bei jedem, hat sich aber in mehreren Studien bei vielen Teilnehmern als wirksam erwiesen. Einen Versuch ist es also wert, um den Winterblues zu besiegen.

Nimm dir Zeit für soziale Kontakte

Ein aktives Sozialleben hat viele Vorteile für Körper und Geist und ist im Umgang mit der saisonal-affektiven Störung hilfreich. Der Bonus dabei ist: Du kommst aus dem Haus (oder räumst als Gastgeber nach der Party dein Zuhause auf, was dir ebenfalls Bewegung verschafft). Sozialkontakte werden mit einer besseren allgemeinen Gesundheit in Verbindung gebracht, und die Pflege eines umfangreichen sozialen Netzwerks ist ein wichtiger Faktor für eine gute psychische Gesundheit im Leben.

Lade deine Freunde zu einem geselligen Beisammensein mit Snacks oder einem gemütlichen Spieleabend ein. Egal, wofür du dich entscheidet: Es muss weder mit viel Aufwand, noch mit hohen Kosten verbunden sein. Zeit mit anderen zu verbringen, reicht schon aus, um die Symptome einer saisonal-affektiven Störung zu bekämpfen.

Finde dein Zen

Meditation ist nicht nur vor dem Schlafengehen sinnvoll. Selbst eine Minute der Achtsamkeit kann den Geist in die Gegenwart zurückbringen und dabei helfen, ruhig und gelassen zu bleiben. Probiere diese Atemübung aus, um dein Zen zu finden:

  1. Nimm eine bequeme, entspannte Position ein und schließe die Augen.
  2. Atme langsam und mache Pausen zwischen dem Aus- und dem Einatmen.
  3. Zähle 50 Atemzüge, während du an nichts denkst.
  4. Jedes Mal, wenn dir ein Gedanke in den Sinn kommt – und das werden unweigerlich viele sein – machst du eine Zählpause.
  5. Atme weiter und rezitiere den Satz „Ich bin mir ______ bewusst“, wobei du einsetzt, woran du gerade denkst.
  6. Sobald dein Geist wieder klar ist, fährst du mit dem Zählen der Atemzüge fort.

Engagiere dich für einen guten Zweck

Wenn du deine Zeit in den Dienst einer guten Sache stellst, hat das viele physische, psychische und soziale Vorteile für dich. Daher ist das eine der besten Möglichkeiten, mit der saisonal-affektiven Störung umzugehen. Mal nicht an die eigenen Probleme zu denken und den Fokus stattdessen auf die Sorgen anderer Menschen zu richten, trägt zum Abbau von Stress bei, der mit einem niedrigen Serotoninspiegel einhergeht. Dankbarkeit hilft bei der Bewältigung von Angst und Trauer, indem sie die Ausschüttung von Dopamin und Serotonin im Gehirn anregt.

Schreibe einen Brief

Briefe an Freunde oder Familienmitglieder sind eine gute Möglichkeit, in Kontakt zu bleiben, und außerdem eine wunderbare Überraschung für den Empfänger. Das Schreiben mit der Hand ist mühsamer als das Tippen, aber das ist ja der Sinn der Sache. Das Gehirn verarbeitet beim Schreiben mit der Hand die Dinge anders als beim Tippen. Das liegt daran, dass einen Stift zur Hand zu nehmen sowohl methodischer als auch nuancierter ist. Wenn du dir nicht sicher bist, wo du anfangen sollst, versuche, einen Dankbarkeitsbrief an dich selbst zu schreiben, als kleine Erinnerung daran, wofür du alles dankbar bist.

Licht am Ende des Tunnels

Wenn du im Trott einer Winterdepression gefangen bist, denke daran, dass am Ende des Tunnels Licht ist – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Jahreszeiten ändern sich, und längere, hellere Tage stehen wieder bevor.

Während du herausfindest, wie du am besten mit der saisonal-affektiven Störung umgehst, wirst du feststellen, dass die oben beschriebenen Praktiken in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung sind. Das abendliche Schreiben von Dankesbriefen und auch die ehrenamtliche Mitarbeit bei einer örtlichen Wohltätigkeitsorganisation werden dein Leben auf mehr als eine Art und Weise positiv beeinflussen. Richte deinen Fokus also darauf, deine SAD-Symptome so zu handhaben, wie es zu deinem Leben passt.

Rückschläge sind zu erwarten. Davon solltest du dich nicht entmutigen lassen. Es ist ganz normal, dass du frustriert ist, wenn dein Körper nicht so funktioniert, wie er sollte. Aber es ist wichtig, dich auf dein ganzes Selbst zu konzentrieren und dich sowohl um deinen Körper als auch deinen Geist zu kümmern. Bonuspunkte gibt es, wenn du dies das ganze Jahr über tust und nicht nur, wenn der Winterblues einsetzt. Bitte um Hilfe, wenn du sie brauchst, wende dich an Freunde und Familienmitglieder oder sprich mit einem Arzt. Ehe du dich versiehst, werden selbst die dunklen, kurzen Tage wieder besser und heller aussehen.